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03/11: Monologie der Gesellschaft

Des morgens, kalt aber schön, stieg ich wie so oft in den Bus zur Arbeit ein. Gute Laune hatte mich heute Eiskalt erwischt, was zum teil am Freitag, zum anderen daran lag, das ich erst um 11:30 Uhr meinen Auftritt hatte. Nach kurzer Zeit kam dann meine Begegnung mit dem Bus, in den ich eindrang, und es mir bequem machte. Meine neu eröffnete "Lange-weile-vertreibe-Maschine" in Form eines gebundenen Buches machte sich startklar, als mich plötzlich eine Dame neben mir ansprach. Ich, nicht abgeneigter, stellte mich auf eine Antwort ein, als sich mir plötzlich aufging, das Sie mit Ihrer Hand sprach, statt mit meiner.

So gestaltete sich neben mir ein halbes Gespräch, in dem ich nicht mitwirken sollte, und durfte. So hörte ich nun einen halben Dialog, was mathematisch durchaus zum Monolog werden könnte, wäre die Unbekannte nicht in Form einer fiktiven Antwort der Gegenstelle gewesen. Dadurch ließ sich diese Gleichung weder auf ein Gespräch zwischen zwei Personen auflösen, noch auf ein Selbstgespräch zu reduzieren, und ich war zu einem Halbwissen reduziert worden. Nun las ich also, mit einem halben Gespräch am Ohr, und konnte nicht von ihrer Stimme weg.

Doch auch diese Fahrt endete irgendwann an einer Haltestelle, an der ich mich vom Buch und dem Halbhören trennen musste, und mein Weg zu den Reisewürmern führte, die sich durch die Stadt schlängelten. Auf dem Weg zur Bahn sprachen wiederum einige mit Ihren Handschuhen, ich hatte die niedrigen Temperaturen erwähnt, wobei sich mir der Verdacht offenbarte, das ich meine rechte Hand mal fragen sollte, wie ich gewesen war.

Meine Spontangewöhnung an diese Hand-Sprech-Mentalität baute sich in der Bahn fest, während ich die Fortsetzung in der Bahn erlebte. An Haltestelle 1 von vielen, stieg dann jemand ein, dessen Geschwür am Ohr einen eigenen Anzug trug. Seine Arme fanden den Weg am Ende in seine Taschen, und er sprach mit sich selbst. Erklärte sich einen Arbeitsgang, den er wohl später durchführte, stand an seiner vorübergehenden Endposition neben mir, und brach mitten im Satz ab. Mein Blick musterte Ihn, und erkannte, das er was hörte. Spontan bildete sich ein Bild von Edward Norton im Dialog mit Brad Pitt, den nur er sehen konnte, auf dem Weg zum Fight Club. Er antwortete der Stimme in seinem Kopf, fasste nach dem Geschwür, wohl um den kleinen Mann zu ärgern, der es sich in seinem Kopf gemütlich gemacht hatte. Er sagte irgendwas, bat um eine kleine Auszeit, griff in seine Tasche, und hohlte einen kleinen kasten heraus, in den er dann hinein sprach. Mich durchfuhr die Erkenntnis. Der Anzug am Ohr war wohl ein Headset, mit dem er den halben Dialog in seine Hand transportierte.

Geschädigt von diesem Ereignis traf ich noch das Ziel, an dem mich meine Kaffeedosis erwartete, und an dem das Opfer zum Täter der Verwirrung wurde. Mein transportables Telefon, auch Handlich genannt, spielte die Melodie des unbekannten Anrufers, und trieb mich dazu, mit meiner eigenen Hand einen Dialog aufzunehmen. Da wurde es mir klar. Das war das Jahr-2000-Problem. Nicht die damalige Angst vor dem Jahr 19100, das den geplanten gigantischen Stromausfall durchsetzen sollte, weil sich ein Computer bei der Rechnung 1999+1 versah. Und dann wurde mir am Telefon auch noch was verkauft... Wie dämlich bin ich eigentlich, das mir meine Hand Geld verkauft... Scheiß Numismatik... aber der Kaffee war gut.

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